(Quelle: Mannheimer Morgen, 11.05.2004)
Pop-Forscher erfinden sich nach fast 20 Jahren
neu
Mit Ddt Huber kommt eine Mannheimer Kultband der 80er mit CD und drei
Konzerten im Schatzkistl zurück
Von unserem Redaktionsmitglied Jörg-Peter Klotz
Sie waren ein echter Feuerwachenfüller. Über 1000 Pop-Fans
pilgerten bis Mitte der 80er regelmäßig zu den Konzerten
von Ddt Huber, die den Nerv der Zeit trafen, ob-wohl sich die Mannheimer
Band vom Zeit-geist der Neuen Deutschen Welle, Punk und New Wave abhob.
Oder gerade deswegen. Und jetzt hebt das 1981 gegründete Projekt
nach stolzen 20 Jahren wieder ab: In Originalbesetzung, mit der ersten
CD und drei Konzerten Mitte Mai im Schatzkistl.
Und was auch 26 Jahre nach dem Verbot des Insektizids DDT immer noch
irgendwie nach bayrischem Familienbetrieb im Chemikalienhandel klingt,
ist heute quasi angewandte Musikwissenschaft. Deshalb stellen Ddt
Huber ihr Comeback unter den Oberbegriff Pop-Forscher. Es soll weniger
die Trends der Zukunft akademisch ausloten, sondern ist "mehr
archäologisch gemeint", wie Peter Baltruschat, Schatzkistl-Impresario
und Sänger von Ddt Huber, erklärt. "Wir legen die Substanz
unserer alten Lieder frei." Schicht für Schicht gräbt
er mit dem Bassisten und Produzenten Michael Herzer seit Monaten im
Studio danach, was die eigenen Songs der 80er im Innersten zusammengehalten
hat - und gießen ihre Erkenntnisse in neue musikalische Formen.
"Damals haben wir einfach drauf los gemacht. Das ist heute anders",
betont Herzer. Musikalische Vielfalt ist angesagt, bestimmte Vorbilder
gibt es weiterhin nicht. "Wichtig ist eine dichte, starke Atmosphäre
- und die Texte spielen eine große Rolle", so der Bassist.
Der damalige Texter Steffen Herbold hat fast alles umschreiben müssen.
"Die Texte aus den 80ern entsprechen nicht mehr unserem Lebensgefühl."
Die Parole heißt jetzt "Adult Pop" - Popmusik für
Erwachsene, die leicht verblüfft registrieren müssen, dass
man inzwischen irgendwie "um die 40" geworden ist.
So wie es eben auch den fünf Bandmitgliedern geht: Neben Baltruschat
und Herzer ist auch Schlagzeuger Andy Pilder in der Branche geblieben.
Keyboarder Kalle Endlich wurde Mediziner, Gitarrist Matthias Heyn
Compuerlinguist, der mit seiner Firma Trados international das Thema
Spracherkennung voran bringt. In seinem Brüsseler Haus probte
die Band in der Woche nach Ostern für die ersten Konzerte seit
fast 20 Jahren - und die allererste Platte des Quintetts.
Warum eine Band mit derart großer Anhängerschaft das nicht
schon zu ihrer Hochzeit auf die Beine gestellt hat, ist leicht zu
erklären: "Es gab zwar einige Vorproduktionen, aber als
wir um 1985 so weit waren, gab es eine Entscheidung: Wenn wir weitermachen,
dann nur ernst-haft - oder wir lassen es sein. Und dann war klar,
dass es vorbei ist", erinnert sich Baltruschat.
So weit, so normal: Das Besondere ist nun aber, dass sich die fünf
nie aus den Augen verloren haben: "Wir haben uns jede Weihnachten
getroffen, waren Ski fahren, haben über die alten Zeiten gesprochen,
die Musik aufgelegt und uns gegenseitig versichert, was wir für
tolle Hechte waren", so Baltruschat. Aber Weihnachten 2002 wehte
plötzlich ein anderer Wind: Da wurde sich nicht verabschiedet,
sondern verabredet, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen.
Seitdem werden die Ddt-Huber-Songs im Edinger Studio von Michael Herzer
durchprobiert und neu erfunden. Stand der Dinge ist eine sehr urban-entspannte
Musikmischung, in der neben Pop, Jazz, Blues, Country, Latin, Cajun
aus dem Rhein-Neckar-Delta und Matt-Bianco-Sounds alles Mögliche
passieren kann - von der Landstraßen-Atmo über einen Rap
von "Chako" Habekost bis zum Kurpfälzer Konzertchor.
Dafür wurde die Band um Ralf Oehmichen (Gitarre), Hans-Jürgen
Gört (Percussion) sowie die Chorsänger Rubina Franz und
Chris Schmitt erweitert. Unter anderem verlängern Kosho, Adax
Dörsam, Laurent Leroi die Liste der bekannten Gastmusiker aus
dem Freundeskreis.
Die Texte transportieren die Programmatik einer Generation, die noch
nicht an-gekommen ist: "Da war ein Flattern in Wien, Da war ein
Schweben in Turin, Da war ein Leuchten in Rom, In einem Dom. War es
das schon?", singt Peter Baltruschat im tief tönenden Sprechgesang,
der in "Auf der Suche" das Lakonische von Element Of Crime
mit der schönen Belang-losigkeit eines Projekt wie The Beloved
verbindet.
Die ironische Pose der frühen Ddt Huber findet sich in "Die
Wirklichkeit" wieder - nur dass einem bei genauerem Hinhören
das Lächeln ein wenig gefriert: "In meinem Milcherzeugnis
drehen sich Bakterien, Sie wissen nicht von Liebe, Im Fernsehen wächst
die Krankheit, die mich einmal töten wird, Und in den Herzen
wachsen Schwindler und Diebe - Die Wirklichkeit, die Wirklichkeit,
Beunruhigt mich sehr stark zur Zeit." Alltags-Poesie für
Erwachsene, "Adult-Pop" eben. |