(Quelle: Mannheimer Morgen, Sonntag Aktuell,
15. August 2004)
Open-Air-Konzert mit Ringsgwandl, Stahlhofen und den Mannheimer
Popforschern bei den Schlossfestspielen
Denkwürdiger Abend in Edesheim
Von Jörg-Peter Klotz
Edesheim. Die Temperatur ist verbesserungsfähig, die dunklen
Wolken hängen tief und die Schirme liegen griffbereit - einladendes
Open-Air-Wetter stellt man sich anders vor. Trotzdem erleben über
400 Besucher bei den Edesheimer Schlossfestspielen einen denkwürdigen
Abend mit Ringsgwandl, Stahlhofen und den Mannheimer Popforschern.
Und das liegt nicht nur daran, dass die von den Musikern gebetsmühlenartig
vorgetragene Beschwörungsformel "Das Wetter hält!"
Wirkung zeigt und die Schirme einen entspannten Abend verleben.
Die schräge musikalische Mischung mit dem kauzigen Rock-Oberarzt
Dr.Georg Ringsgwandl, dem Soul-Temperamentsbolzen Rolf Stahlhofen
und den außerhalb Mannheims weithin unbekannten Pop-Akademikern
um Sänger Peter Baltruschat und Bassist Michael Herzer funktioniert
wie gemalt. Das kann an der malerischen Kulisse der Seebühne
vor dem
Edesheimer Schlösschen liegen oder an dem Unplugged-Konzept
des Abends, das Musik
aufs Wesentliche reduziert: handwerkliche Klasse, Entertainer-Qualitäten
und das Potenzial des Songmaterials. Und gemessen an diesen Punkten
hat sich Stahlhofen, der Gastgeber dieses Abends, ziemlich schlagkräftige
Konkurrenz ins Haus geholt. Er hatte vom Veranstalter-
Team um Capitol-Chef Thorsten Riehle die Vorgabe, einen prominenten
Musiker mit ins Boot zu holen. Und da hätte man sich von Peter
Maffay oder Udo Lindenberg bis Jule Neigel, Edo Zanki und Xavier
Naidoo viele aus dem riesigen Kollegenkreis des umtriebigen Ex-Söhne-Mannheims-Sängers
vorstellen können - auf das bayerische Unikum Ringsgwandl standen
die Wetten nicht
sehr hoch. "Ich habe ihn bei ,Tabaluga' kennen gelernt, fand
ihn schon immer großartig und habe einfach gefragt",
klärt Stahlhofen die Verbindung auf.
Die nach gut 20 Jahren Pause reanimierten Popforscher (ehemals Ddt
Huber) waren dem Soulmann im Mai bei ihrer Premiere, einem Auftritt
im Rahmen der Preisverleihung "Anzeige des Jahres " des
"Mannheimer Morgen" aufgefallen. Das geht den Zuschauern
in Edesheim ähnlich, denn der gepflegte Groove der neunköpfigen
Band sorgt sofort für Bewegung auf den Sitzplätzen. Beim
zupackenden Shuffle von "Hör mal " greifen viele
zu den Programmheften, um
nachzuschlagen, wer da eigentlich so souverän und entspannt
den Abend eröffnet. Percussionist Hans-Jürgen Götz
bekommt Szenenapplaus - stellvertretend für die herausragende
Rhythm-Section mit Andreas Pilder am Schlagzeug und Michael Herzer.
Nach
einer kurzweiligen halben Stunde werden die Popforscher mit sehr
viel Beifall verabschiedet -einen Effekt, den sie hätten steigern
können, wenn sie ihre bewährten Publikumsbeglücker
"Ich sitz auf meinem Hund am Kai " oder "Die Wirklichkeit
" statt zum Beispiel dem etwas sperrigen "Wo gehst Du
hin?" gespielt hätten.
"Unplugged heißt für Rockmusiker, dass wir alles
etwas leiser spielen ",erklärt Stahlhofen zu Beginn seines
Konzerts das etwas widersinnige Phänomen, dass "entstöpselte
" Konzerte ohne Strom nicht funktionieren. Das Gegenteil muss
seine routinierte Band die nächsten 45 Minuten lang beweisen.
Aber obwohl die Musiker auf der Bühne wegen technischer Probleme
teilweise nichts von sich hören, ist der Sound vor der Seebühne
wunderbar - vor allem bei der Unplugged-Version "Wetterprophet
". Der Stoppok-Song hat meteorologische Signalwirkung: Das
schwer groovende "Du musst das Licht sehen " öffnet
anschließend den Wolkenvorhang und gibt den Blick frei auf
ein atemberaubendes Abendrot. Der anfangs etwas zurückhaltende
Stahlhofen nutzt die Gunst des Augenblicks, spielt sein Fähigkeiten-Spektrum
zwischen Balladier und Tempomacher voll aus und reißt spätestens
mit "Gib mir Musik " auch den abgeklärtesten Ringsgwandl-Fan
vom Sitz. Der als schwieriger Exzentriker geltende Bajuware hat
derweil die Avon-Beraterin empfangen, den Lippenstift nachgezogen
und feiert den Kollegen von der Tribüne aus mit dem einen oder
anderen Jubelschrei - auch nicht ganz
selbstverständlich in einer eher hengstbissigen Branche. Als
er und seine Band fast beiläufig das Regiment auf der Bühne
übernehmen, sind es nicht unbedingt die handwerklich erstklassigen
Liedermacher-Rocksongs, die dem Stimmungspegel den letzten Push
geben. Ringsgwandls großartig abstruse Standup-Comedy mit
sinnstiftenden Zitaten aus der "Edenkobener Rundschau ",
Ausführungen zum Heiratsmarkt für Musiker und Hymnen an
ein "Latex-Tüterl " sind zum Kringeln. Genau wie
das mit Spannung erwartete Gipfeltreffen mit Stahlhofen zum Abschluss,
das sich musikalisch auf recht spontanen Background-Gesang des Mannheimers
beschränkt. Aber spätestens als er von Ringsgwandl die
Perücke übernimmt
und die bayerische Version von Dylans "Gotta Serve Somebody
" verziert, ist alles zu spät.
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